Der Dekan hat statt dessen am 1.11.2016 beschlossen, ein IRB unter erheblich strikteren Auflagen zu gründen, als es etwa in der Medizin üblich ist. Insbesondere hat der Dekan beschlossen, ein IRB nicht etwa den Lehrstühlen anzuvertrauen, die an dieser Fakultät tatsächlich im weitesten Sinne Versuche am Menschen durchführen, sondern statt dessen eine große Kommission unter fachfremden Vorsitz mit externen Mitgliedern zu gründen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es unter diesen Bedingungen möglich ist, die Bereitschaft kompetenter externer Mitglieder zu gewinnen, die willens sind, im Wochenrhytmus in Jena über aktuelle Experimente zu entscheiden.
Es erscheint mir nicht nachvollziehbar, warum das Dekanat für Experimente in den Wirtschaftswissenschaften strengere Kriterien fordert, als es z.B. in der Medizin (auch an der FSU) üblich ist. Ich sehe in der Entscheidung des Dekanats einen bedauerlichen Rückschlag für die experimentelle Forschung an der FSU.
P.P.S.: (20.10.2017) Meine Befürchtungen scheinen bestätigt. Ich habe am 7.11.2016 einen ersten Antrag an das vom Dekan eingerichtete IRB geschickt. Bis heute, fast ein Jahr später, hat sich das IRB nicht zu diesem Antrag geäußert.
Hier ist mein Vorschlag vom 7.10.2016:
Vorschlag für ein “Institutional Review Board” (IRB) an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der FSU
Zur Notwendigkeit eines IRB:
- Seit 1972 macht die DFG die Zuwendung von Forschungsmitteln von der Beurteilung des Forschungsvorhabens durch eine unabhängige Überprüfung durch ein IRB abhängig. In der Vergangenheit wurde diese Restriktion für die Wirtschaftswissenschaften eher sehr liberal gehandhabt. In den letzten Jahrzehnten rückt menschliches Verhalten mehr und mehr in das Forschungsinteresse der Wirtschaftswissenschaften. Damit wächst auch der Wunsch der Sponsoren (z.B. DFG) nach einer Beurteilung der Auswirkung der Forschung auf Menschen als Gegenstand der Untersuchung.
- Mehr und mehr internationale Zeitschriften verlangen ebenfalls eine Erklärung, dass die eingereichte Arbeit, soweit in der Forschung im weitesten Sinne Menschen betroffen wurden, von einem IRB beurteilt wurde.
- Meine persönliche Einschätzung ist: Bei praktisch allen Untersuchungen, die ich mir vorstellen kann, ist der
zu erwartetende Schaden für menschliche Forschungsobjekte in den Wirtschaftswissenschaften vernachlässigbar. Der Wunsch nach einer Prüfung rückt (bei Sponsoren wie bei Zeitschriften) dennoch mehr und mehr in den Vordergrund.
Es würde uns deshalb helfen, eine Kommission zu haben, die effizient die Unbedenklichkeit unserer Forschungsvorhaben feststellt.
- Die Ethik-Kommission der Friedrich-Schiller-Universität-Jena an der Medizinischen Fakultät. Die Existenz dieser Kommission ergibt sich aus § 40 Abs. 1 Satz 2 AMG in Verbindung mit dem ThürHeilBG.
- Die Ethikkommission der Fakultät für Sozial- und Verhaltenswissenschaften. Letztere ist eine eher freiwillige Angelegenheit, die, aus ähnlichen Motiven wie bei uns, ins Leben gerufen wurde, um Ansprüche von Sponsoren und Zeitschriften zu genügen.
Ich habe mich ferner bei anderen Universitäten erkundigt. Es gibt z.B. bereits seit 2012 eine Ethikkommission an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der LMU München. Die Arbeit dort läuft recht strukturiert ab. Soweit ich es verstanden habe, sind die meisten Anträge nicht kontrovers und können von einem Mitglied der Kommission nach Aktenlage positiv beschieden werden. Die Kommission trifft sich normalerweise nur einmal im Jahr.
Mögliche Argumente gegen ein IRB
- Egal wie effizient wir es organisieren, ein IRB wird Arbeit machen.
Vielleicht ist es ja doch nicht notwendig. Schließlich sind wir in der
Vergangenheit immer mit unseren Forschungsanträgen und
Veröffentlichungen irgendwie durchgekommen. Außerdem gibt es auch in
der U.S. Gesetzgebung, an der sich internationale Zeitschriften
orientieren, eine (schmale) Liste von Ausnahmen. Vielleicht lässt sich (gegenüber Sponsoren und Zeitschriften) unsere
Forschung ja als eine solche Ausnahme klassifizieren.
Bezüglich dieser Ausnahmen sollten wir beachten, dass die Entscheidung über eine Ausnahme (in den U.S.A.) nur von einem IRB gemacht werden kann, nicht von den Forschern selbst. Mein Eindruck ist, dass es immer schwieriger wird, gegenüber Sponsoren und Zeitschriften Ausnahmen zu rechtfertigen.
- Wenn wir ein IRB einrichten, zwingen wir uns damit vielleicht, in Zukunft
unsere Forschung der Meinung des IRB unterzuordnen?
Wir sollten darauf achten, dass (anders als in der Medizin) ein IRB eine freiwillige Option bleibt, die genutzt werden kann, die aber nicht genutzt werden muss.
Praktische Umsetzung
- Wenn wir ein IRB wollen, brauchen wir möglicherweise die Zustimmung der Universitätsleitung.
- Ich hoffe, dass wir bei der Anforderung für die Zusammensetzung der Kommission flexibel sein können In der Medizin ist §17c HeilBerG sehr restriktiv und verlangt z.B. einen Volljuristen in der Kommission. Zweck der Kommission in der Medizin ist auch, Forscher vor Klagen zu schützen. Diesen Zweck verfolgen wir nicht. Ich hoffe deshalb, dass wir andere Fakultäten nicht behelligen müssen.
- Ich könnte mir vorstellen, dass eine Kommission von drei oder vier Professorinnen und Professoren aus unserer Fakultät reicht. Diese Kommission könnte sich normalerweise einmal im Jahr treffen, und ansonsten Mitglieder ermächtigen, über nicht kontroverse Vorhaben zu entscheiden.